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Veränderungen in Versammlungen

Quelle: http://www.jaapfijnvandraat.nl/htmlpagina/7verga/70002110.htm
Übersetzung: Frank Schönbach, 11/03

Welche Veränderungen haben sich in den Versammlungen in den Niederlanden ereignet?
Eine Beurteilung von J.G. Fijnvandraat

Einleitung
Auf die Frage, wann "die Versammlung von Gläubigen" entstanden ist, könnte man (etwas übertrieben) prinzipiell antworten: Das geschah in der Zeit, über die das Buch Apostelgeschichte schreibt. Damals begannen nämlich die Gläubigen, sich im Namen von Jesus Christus versammeln. In diesen Zusammenkünften wurden die Kennzeichen der Gemeinde von Jesus Christus (gegenwärtig meistens "die Kirche" genannt) offenbar. Diese Kennzeichen sind u. a. mit den folgenden "Bildern" verbunden, die die Schrift gebraucht, um die Gemeinde anzudeuten, nämlich: der Leib von Christus; das Haus Gottes und die Familie Gottes. Diese Kennzeichen gibt die folgende Übersicht wieder:
Zum Leib gehört das Festhalten an dem einzigen Haupt, Jesus Christus (Kol 2:19); das Bewahren der Einheit (Ep 4:1-6; Kol 3:15); das Entfalten der freien Wirkung der Gaben zur Auferbauung (Rö 12:3-8; 1Ko 12:12-26; 1Ko14).
Zum Haus gehört das Bauen mit gutem Material und das Zusammenarbeiten miteinander (1Ko 3:10-15); das Ausüben der allgemeinen Priesterschaft (1Pe 2:4-10); Aufsicht und hirtenmäßige Fürsorge (1Tm 3:1-7; 1Pe 5:1-4; Ap 20:28-32); mit der Heiligkeit zu rechnen durch gesunde Ausübung von Zucht, nämlich durch Ermahnung, Bestrafung, ... Bezeichnen, und im äußersten Fall durch "Ausschluss" (1Ko 5).
Zur Familie gehört die Liebe im Umgang miteinander (1Jo 4:7-11) und geistliches Wachstum (1Jo 2:12-14).

Mit dem oben Stehenden ist jedoch tatsächlich keine Antwort gegeben auf das, was mit der Frage gemeint ist, nämlich wann praktisch gesehen die Versammlungen von Gläubigen entstanden sind, wie man sie jetzt kennt. Nun, das letztere geschah ungefähr 1826-1830, und zwar in Irland und Süd-England. Die Bewegung breitete sich von dort wie ein Ölfleck aus über England, Europa, Amerika, die Länder im Nahen und Fernen Osten. Leider ereignete sich in 1848 eine Spaltung durch Ungeduld und Hast auf der einen und Zögern und Mangel an Durchsetzungskraft auf der anderen Seite. Seit dieser Zeit sprechen wir von geschlossenen und offenen Versammlungen. In beiden Gruppen haben sich verschiedene Verschiebungen ereignet, aber in diesem Artikel geht es um die Verschiebungen in den geschlossenen Kreisen, wie sie sich seit ca. 1990 eignet haben, und zwar besonders in den Niederlanden, aber von dort sich ausbreitend auch in anderen Ländern.

Über diese Veränderungen im "Versammlungsleben" wollen wir jetzt sprechen. Manche sind über diese Veränderungen begeistert, andere machen sich Sorgen darüber, und es gibt sogar solche, die sich getrennt haben, weil sie meinen, dass der Grundsatz des Versammelns aufgegeben wurde.
Es erscheint gut, einmal nachzugehen, was nun verändert ist, und ob diese Veränderungen von prinzipieller Art sind.

Veränderung 1. Das durcheinander Sitzen von Brüdern und Schwestern
Als erstes kann wohl genannt werden, dass Brüdern Schwestern in vielen Versammlungen angefangen haben, durcheinander zu sitzen. Traditionsgetreu saßen in fast allen Versammlungen in den Niederlanden die Brüder und die Schwestern getrennt in zwei Blöcken im Lokal. Es kam nicht vor, dass eine Schwester in der Brüderabteilung Platz nahm oder anders herum, dass ein Bruder sich zu den Schwestern setzte, es sei denn als seltene Ausnahme.
Diese Tradition wurde in den letzten Jahren durchbrochen. Obwohl diese Veränderung nichts mit einem Versammlungsprinzip zu tun hat, hat sie in verschiedenen Versammlungen doch zu Schwierigkeiten geführt. Man brachte manchmal vor, dass dies dazu führen könnte, dass eine Schwester ihrem Mann ein Lied vorhalten könnte mit der Absicht, dass er es vorschlagen soll. Auch hörte ich einmal das Argument, dass gerade durch das getrennte Sitzen der unterwürfige Platz der Schwestern gut ausgedrückt wurde. Das sind, wie wir es nennen, "uneigentliche (herbei gezogene) Argumente".
Diese Angelegenheit spielte (und spielt) übrigens in England überhaupt keine Rolle, denn dort saß man, soweit ich weiß, als Brüder und Schwestern immer schon durcheinander. Was auch der Grund für diese Veränderung sein mag, eine prinzipielle Frage ist es nicht.

Veränderung 2. Das Einführen des Singens von moderneren Liedern (aus der eigenen Zeit)
In verschiedenen Versammlungen wurde - vor allem durch die Jüngeren - gebeten, ob man nicht etwas mehr Lieder aus der heutigen Zeit singen könnte. Früher wurde ausschließlich aus dem Liederbuch 'Geistliche Lieder' gesungen. Veränderungen in diesem Liederbuch wurden landesweit eingeführt (mit oder ohne Einsprüche aus dem Land), und das Liederbuch war beim "Versammlungsverlag" erhältlich.
Dieses System hatte den Vorteil, dass man überall dieselben Lieder sang oder auf jeden Fall singen konnte. Der Nachteile jedoch war, dass "unser" Liederbuch nicht oder einseitig "mitwuchs" mit den Entwicklungen, die sich in der "Gesangswelt" ab spielte. Das System wirkte nämlich äußerst träge und sehr einseitig. Eine bestimmte Art von Liedern wurde wohl (begeistert) zu Hause gesungen, aber nicht in der "Versammlung". Man denke an Lieder aus dem Liederbuch von Johan de Heer. Wenn daraus einmal ein Lied vorgeschlagen wurde, war das mit der (vorsichtigen) Frage verbunden, "ob dieses Lied vielleicht auch gesungen werden könnte / dürfte".
Mit dieser Tradition wurde nun in vielen Versammlungen gebrochen. Augenblicklich werden an verschiedenen Orten neben den 'Geistlichen Liedern' auch andere bestehende Liederbücher gebraucht oder eigene Liederbücher zusammengestellt. Das hat vorteilhafte Seiten, aber es können wohl auch ein paar nachteilige Effekte aufgezeigt werden. Aber letztlich haben wir es auch hier nicht mit einem Versammlungsgrundsatz zu tun.

Veränderung 3. Musikalische Begleitung
Schon seit Jahren wurde in den Versammlungen die Frage gestellt, warum wir keine musikalische Begleitung beim Singen hätten. Durch einen einzelnen wurde dagegen vorgebracht, dass: a. die Musik durch Jubal entstanden ist, und das war ein Abkömmling von Kain und der Vater des weltlichen Vergnügens. Ein tiefsinnigeres Argument war, dass b. unser Gottesdienst geistlich ist und Musik keine geistliche Funktion hat. Auch merkte man an, dass im neuen Testament keine einzige Anweisung über Musik im Gottesdienst der Gemeinde zu finden ist. Als praktisches Argument führte man an, dass c. das Singen dadurch nicht schöner wird, und die Gefahr besteht, dass die Gemeinde sich durch Musik mitreißen und / oder beherrschen lässt, und auch das d. man sich beim Musik machen [selbst] ausleben könnte. Schließlich brachte man noch als Einwand vor, dass e. die musikalischen Begleiter ihre Aufmerksamkeit nicht beim Inhalt der Lieder haben könnten.

Diejenigen, die Argument a benutzen, werfen selbst seine Glaubwürdigkeit über den Haufen, denn sie wohnen in den "Zelten" von Jabal und bewegen sich im "Schmiedewerk" von Tubal-Kain von einem Ort zum anderen. Obendrein sehen wir, dass im Gottesdienst von Israel Musikinstrumente gebraucht wurden. Dieser Einwand, zusammen mit Argument b, wird auch durch Psalm 150 widerlegt, wo der Aufruf erfolgt, Gott zu loben unter Gebrauch von allerlei Sorten von Musikinstrumenten. Das wäre niemals möglich gewesen, wenn eine solche "Befleckung" (sündig / fleischlich und ungeistlich) darauf liegen würde, wie in diesen Argumenten unterstellt wird.

Es wahr, dass das Neue Testament keine Anweisungen gibt, was die Gemeinde betrifft, Musikinstrumente zu gebrauchen, aber der Grundsatz "was nicht geboten ist, ist verboten", ist darum noch kein Argument, denn dieser führt zu reiner Gesetzlichkeit.
Umgekehrt dürfen wir auch nicht sagen: "was nicht verboten ist, ist erlaubt", denn dies würde zu reiner Willkür führen. Übrigens wird im Buch in der Offenbarung wohl über den Gebrauch von Musikinstrumenten gesprochen, und es steht kein Wort der Ablehnung von Musik in der Bibel.
Dass das vierstimmige Singen (Argument c) davon nicht schöner wird, kann so sein in bestimmten Versammlungen, aber es wird so allgemein nicht zutreffen. Die Gefahr, sich mit reißen zu lassen, ist nicht undenkbar, aber das gilt genauso für eine Versammlung, die mit einem Vorsänger gesegnet ist, der eine Stimme wie ein Orkan hat.
Gefahren (Argument d) liegen natürlich überall verborgen, denn das "Fleisch" kann in allerlei Situationen wirken, auch ganz einfach im Gemeindegesang, wenn man nämlich seine Stimmbänder gebraucht, um aufzufallen. Wir müssen in allen Umständen das Fleisch für gekreuzigt halten und in der Praxis auch danach handeln. Für manche [musikalischen] Begleiter wird Argument e zutreffend, aber für andere nicht. Man muss dies den betreffenden Personen selbst überlassen.

Die unter diesen Punkt genannten Argumente haben nichts mit prinzipiellen, sondern mit praktischen Angelegenheiten zu tun. Die Pro's und Contra's sind von Ort zu Ort sehr verschieden. Wenn man für musikalische Begleitung ist und darüber in der Versammlung Einstimmigkeit herrscht, wird man wohl dafür sorgen müssen, dass ausreichend Personen da sind, die eine gute musikalische Begleitung spielen können. Auch sollte man Raum für den Wunsch lassen, ein bestimmtes Lied ohne Begleitung zu singen. Für das nötige "Gleichgewicht" übernehme ich hier eine Reaktion eines Bruders:

"Was den Gebrauch von Musikinstrumenten betrifft, würde ich sagen, dass es im Alten Testament einen Anbetungsdienst gab, der mehr auf das abgestimmt war, was man sehen konnte: Tempel mit Inhalt (Bundeslade, Altäre, Leuchter, usw.), Priester mit einer bestimmten Art von Kleidung und daher auch eine enorme Vielzahl an Musikinstrumenten.
Im Neuen Testament haben wir nicht länger den Schatten, sondern die Wirklichkeit: Christus (Kol 2). Das Bedürfnis nach einem weltlichen Heiligtum (Hb 9:2) mit allerlei äußerlichen (sichtbaren und fühlbaren) Dingen ist weniger wichtig. Die Einfachheit der sogenannten protestantischen Kirchen stach dann auch stark ab gegen den Prunk der römisch-katholischen Kirchen. Aber je weniger Inhalt unser Glaube hat, desto mehr wird das Äußerliche wieder in den Vordergrund kommen. Je weniger Tiefgang, desto mehr ist nötig, um einen Gottesdienst attraktiv zu machen".

Der Unterschied im Gottesdienst von Israel und im Anbetungsdienst, den wir kennen, besteht in der Tat, aber das nimmt nicht weg, dass Gott auch dort geehrt wurde, auch durch die Musik. Obendrein ging es auch da nicht um die äußerliche Seite des Anbetungsdienstes, sondern um den Zustand des Herzens. Gebrauch von Musik als Begleitung muss kein Zeichen für einen Mangel an Tiefgang sein.
Obendrein darf es doch wohl etwas "Attraktives [Anziehendes]" geben , ohne in den Pomp der römisch-katholischen, griechisch-orthodoxen, anglikanischen usw. Kirche zu verfallen. Wir singen doch auch vierstimmig. Das hat doch nichts mit einem Mangel an Tiefgang zu tun (oder braucht es zumindest nicht)? Aber eine Warnung vor der Gefahr des Abgleitens ist "niemals unangebracht", und darum habe ich die Worte unseres Bruders wiedergegeben. Aber - und darum geht es - eine alarmierende Verschiebung ist dies ebenfalls nicht.

Veränderung 4. Kopfbedeckung der Schwestern in den Zusammenkünften in die eigene Entscheidung (fakultativ) gestellt
Mit der Tatsache, dass in verschiedenen Versammlungen es den Schwestern selbst überlassen wird, ob sie in der Zusammenkunft den Kopf bedeckt haben, haben ziemlich viele Brüder und Schwestern Schwierigkeiten, weil es nach ihrer Überzeugung hierbei um eine prinzipielle Angelegenheit geht. In früheren Jahren gab es keine Schwester, die ohne Kopfbedeckung in der Zusammenkunft saß. Man gründete sich auf die Aussage von 1Ko 11:5: "Jede Frau aber, die mit unverhülltem Haupt betet oder weissagt, entehrt ihr Haupt; denn sie ist ein und dasselbe wie die Geschorene." Die große Frage ist jedoch, ob diese Vorschrift gilt für die Teilnahme an der Zusammenkunft der Gemeinde. Darüber herrschten "intern unter den Auslegern" wohl unterschiedliche Gedanken, aber das wurde seinerzeit nicht nach außen gezeigt. Als dies in jüngerer Zeit doch geschah, waren viele schockiert. "Hatten die alten Brüder dies denn Jahre lang verkehrt gesehen?" "Es war doch immer so gewesen, und man hatte doch wohl einen Grund dafür gehabt", so reagierte (und reagiert) man. Nun ist es nicht meine Absicht, diese Frage ausführlich zu besprechen, aber zumindest muss man begreifen, dass hier eine Schwierigkeit in der Auslegung auftaucht. Die Frage ist nämlich, ob diese Vorschrift - und eine Vorschrift ist und bleibt es, wenn es auch mit keinem Wort gesagt wird – wohl für das Zusammenkommen der Gemeinde als solche gilt, denn nach 1Ko 14:34-37 ist es den Frauen nicht erlaubt, in der Gemeinde zu sprechen. Es gibt dann auch Ausleger, die folgende Erklärung geben:

"Normal ist das lange Haar der Schwestern das Symbol ihrer untergeordneten Stellung. Wenn sie jedoch im Gebet leiten oder eine Prophetie aussprechen, dann ist dieses Symbol nicht ausreichend, sondern sie müssen den Kopf bedeckt haben."

Nach ihrer Ansicht bezieht sich die Vorschrift also nicht einfach auf die Teilnahme an der Zusammenkunft, sondern auf den Fall, dass eine Schwester bei der bestimmten Gelegenheit ein Gebet ausspricht oder eine Prophetie ausspricht.

Andere jedoch behaupten demgegenüber, dass:
"eine Schwester, die Amen sagt auf das Gebet eines Bruders, auch betet, und die Kopfbedeckung also auch für Schwestern in der Zusammenkunft gilt, auch wenn sie dort nicht im Gebet leiten dürfen. Daher spricht auch Vers 10 unabhängig vom Beten über das Tragen einer Macht auf dem Kopf."

Aber wie will man dieses Argument anwenden auf das Prophezeien, denn das bedeutet nicht das Zuhören bei einer Prophetie, sondern eine Prophetie aussprechen?! Auch ist es die Frage, ob man Vers 10 aus seinem Zusammenhang heraus lösen darf, siehe Vers 13. Wir arbeiten das hier nicht weiter aus, es geht jetzt allein in darum, dass zwei verschiedene Auslegungen gegeben werden, wobei alle Ausleger sich auf die Schrift stützen wollen. Das hat an verschiedenen Orten dazu geführt, dass man die Kopfbedeckung in der Zusammenkunft fakultativ gestellt hat. Wenn eine Schwester meint, den Kopf bedecken zu sollen, dann soll sie das tun vor dem Herrn, wenn sie einen anderen Gedanken hat, soll gegen das dann auch nicht tun vor dem Herrn. Hier übernehme ich ein Stück aus dem Kommentar eines anderen Bruders. Er bemerkt:

"Ich müsste noch der ersten Schwester begegnen, die in der Gemeinde-Zusammenkunft in den Kopf bewusst nicht bedeckt, aber außerhalb davon dies bewusst doch tut, wenn sie betet oder prophezeit."

Leider besteht die Gefahr, dass eine Schwester den Kopf (auch) nicht bedeckt in einem bestimmten Dienst, in dem sie im Gebet leitet oder ein Wort der Prophetie spricht. Wir sollten jedoch die Auslegung von 1Ko 11 nicht davon abhängig machen, und da liegt wirklich ein Problem. Es ist redlicher Weise eine unterschiedliche Auslegung möglich, und dann sollen wir einander nicht zwingen, eine bestimmte Auslegung zu akzeptieren, und daher auch keinen "Trennungspunkt" daraus machen. Andererseits tun Schwestern nach meiner Einsicht gut daran, sich anzupassen, wenn sie in einer Versammlung zu Gast sind, wo man allgemein die Überzeugung hat, dass Schwestern auch in der Zusammenkunft eine Kopfbedeckung tragen müssen. Etwas zu tun "um der Brüder willen" braucht das Tun "um des Herrn willen" nicht auszuschließen. Es ist nämlich auch nach dem Willen des Herrn, dass wir aufeinander achten.
Nachbemerkung: Es gibt noch eine dritte Meinung, und zwar dass man den Unterschied zwischen gemeindlichen und nicht gemeindlichen Zusammenkünften nicht für biblisch hält, und das Beten und Prophezeien in 1Ko 11 sich auf die Gemeinde-Zusammenkunft beziehen lässt. Siehe in diesem Zusammenhang die Broschüre "Prüf es nach A", in der Gerard Kramer und ich eine solche Auslegung abgewiesen haben.

Veränderung 5. Kurzes Haar von Schwestern "erlaubt"
Die Frage nach der Haarmode ist nicht von heute oder gestern, sie datiert schon aus den Tagen vor oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die alte Meinung war, dass nichts von dem Haar abgeschnitten werden durfte. Man berief sich auf 1Ko 11:6, wobei man das Abschneiden des Haares auffasst als etwas vom Haar abschneiden. Andere beriefen sich auch auf den oben genannten Vers und fassten das Wort wörtlich auf als das Haar ganz abschneiden. Diese letzte Auffassung findet Unterstützung in der Tatsache, dass das Wort für "abschneiden" auch für Scheren gebraucht wird (siehe zum Beispiel die ndl. Telos-Übersetzung von 1Ko 11). Es wurde allmählich so, dass Haar bis auf die Schultern als langes Haar betrachtet wurde, und damit konnten die meisten Frieden haben. Dabei blieb es leider nicht, und gegenwärtig sehen wir Schwestern mit Haaren, die weit oben abgeschnitten sind. Das ist sicher nicht als "langes" Haar zu betrachten. Umgekehrt sehen wir junge Männer mit Haaren bis fast auf die Schultern, und das kann schwierig für kurzes Haar durchgehen. Persönlich muss ich sagen, dass ich traurig bin über diese Entwicklung. Ich weiß wohl, dass das Äußerliche nicht das Wichtigste ist, es kommt auf das Innere an, aber damit kann man Anweisungen, die wir (wenn auch nicht als Gebot, aber doch als wünschenswert) in 1Ko 11:14,15 finden, "nicht beiseite schieben". Andererseits halten wir es nicht für richtig, das Tragen von langem Haar zu einer Vorbedingung für das Ausüben der praktischen Gemeinschaft zu machen, und es als ein Kennzeichen unserer Identität zu betrachten.

Veränderung 6. Das Vorschlagen von Liedern und Leiten in Gebet durch Schwestern
Leider (nach meiner Ansicht) ist eine Entwicklung im Gange, die viele mit Sorge erfüllt: In einer (bis jetzt) kleinen Anzahl von Versammlungen wird nämlich Schwestern erlaubt, Lieder vorzuschlagen und Gebete auszusprechen. Zusammen mit Bruder G.H. Kramer habe ich diese Praxis als sehr diskutabel [fragwürdig] abgewiesen. Das will nicht sagen, dass die Verfechter dieser Praxis von vornherein dem Wort von 1Ko 14:34 ungehorsam sein wollen, denn sie meinen, dass diese Vorschrift allein ein Verbot zu "sprechen" beinhaltet, das meint "lehren", und sie führen Argumente aus der Schrift für ihre Meinung an. Wir halten diese Argumentation für sehr schwach und sind daher absolut nicht überzeugt von ihrer Richtigkeit. Aber das will nicht sagen, dass wir Versammlungen, in denen dies erlaubt wird, "abschreiben" müssen, und keine Gläubigen aus einer solchen Versammlung beim Abendmahl empfangen könnten. Es ist nach meiner Ansicht nicht zu verantworten, aus dieser Frage einen Trennungspunkt für die praktische Gemeinschaft zu machen und eine "Spaltung" durchzudrücken, denn dafür finden wir keine Unterstützung im neuen Testament. Die große Frage ist nur, ob es hierbei bleibt. In einem andern Artikel hoffe ich darauf einzugehen.

Veränderung 7. Flexiblerer Umgang mit der Zulassung
Was den Umgang mit der Zulassung betrifft, geht es um eine Veränderung, der viele von uns einfach nur zujubeln. Tatsächlich ist dies die Korrektur einer Verschiebung, in der Vergangenheit stattgefunden hat. Die Entwicklung im vorigen Jahrhundert führte langsam aber sicher dazu, dass Gläubige aus anderen Kreisen nicht, beinahe niemals oder höchstens für ein Mal zum Abendmahl empfangen wurden. Es trat daher eine sektiererische Tendenz ein, und es wurde sogar gesprochen von einem "separated circle of fellowship (geschlossenen Kreis der Gemeinschaft). Dagegen ist in den letzten Jahren zu Recht Widerstand aufgekommen, weil dies in der Praxis ein Verleugnen der Einheit des Leibes von Christus bedeutete. Viele Versammlungen haben ihre Zulassungspraxis zu Recht flexibler gestaltet. Im Hinblick darauf, dass wir nirgends in der Schrift ein Zulassungsverfahren vorgeschrieben finden, müssen wir darüber wachen, nicht selbst ein solches einzusetzen. Jede Versammlung ist örtlich verantwortlich für ihren Umgang mit der Zulassung, und ich meine, dass die Normen dafür zurückzuführen sind auf die folgende Punkte: 1. Die fragliche Person muss ein/eine Gläubige/r sein; 2. sie muss einen moralisch reinen Wandel führen und keiner Irrlehre anhängen; 3. es darf keine aktive Verbindung geben mit "Bösen", wodurch man Gemeinschaft hat mit ihren Sünden.

Veränderung 8. Prüfung von Versammlungsbeschlüssen
Auch hier müssen wir von der Korrektur einer Verschiebung sprechen, die in der Vergangenheit stattfand. In der Vergangenheit forderte man (wenigstens in der Praxis) ein absolutes Akzeptieren jedes Versammlungsbeschlusses, der die Ausübung von Zucht betraf, und in Besonderheit bei der Handlung des "Ausschlusses". Man verteidigte das mit der Behauptung, dass wir dadurch die Einheit des Leibes von Christus praktisch bewahren.
Diese Argumentation ist schon in diesem Sinne falsch, das Zucht nichts tun hat mit der Einheit des Leibes von Christus, sondern mit der Heiligkeit des Hauses Gottes. Obendrein behauptete man sehr juristisch, dass Beschlüsse, die von einer Versammlung gefasst wurden, die im Namen des Herrn zusammen kam, automatisch Beschlüsse wären, die im Namen des Herrn gefasst wurden. Auch wenn ein Beschluss zu Unrecht bestand, wurde er doch durch den Himmel anerkannt, und musste darum "bedingungslos durch andere Versammlungen akzeptiert werden. Man erkannte wohl, dass falsche Beschlüsse bei einem Ausschluss gefasst werden konnten, und gab an, dass andere (am besten benachbarte) Versammlungen sich dann damit beschäftigen sollten, aber in der Praxis wurden solche ungerechtfertigten Ausschlüsse durchgezogen, und man opferte einen Bruder oder eine Schwester auf dem Altar der Einheit der Versammlungen. Ohne in eine Auffassung der völligen gemeindlichen Unabhängigkeit zu verfallen, ist man abgekommen von diesem sklavischen Akzeptieren von Beschlüssen (Ausschlüssen), bei denen nicht allein (und zu Recht) die Verantwortlichkeit des Ausschlusses auf die betreffende Versammlung gelegt wurde, sondern wobei man diese Versammlung auch als verantwortlich hinstellte für das Anwenden dieses Beschlusses durch andere Versammlungen, womit man sein Gewissen beruhigte. Sehr zu Recht hat man diese juristische Argumentation verworfen, man beginnt damit, einen Versammlungsbeschluss anzuerkennen, aber man widersetzt sich eher gegen ungerechtfertigte Ausschlüsse.

Veränderung 9. Getrenntes Versammeln ohne "Spaltung"
Wenn früher Meinungsverschiedenheiten in einer Versammlung auftraten, konnte das örtlich zu einer Trennung führen, die oft in eine weltweite Spaltung einmündete. Man brach dabei alle Formen der Gemeinschaft ab. Das praktische Resultat war: Wir gehen nicht zu euch, und ihr seid bei uns nicht willkommen. Spaltungen bestanden nach beiden Seiten, also "gegenseitig", absolut. Gegenwärtig wird von vielen dieser radikale Standpunkt nicht mehr eingenommen. Es kann sein, dass man eine Meinungsverschiedenheit entwickelt über Dinge wie das Singen von neuen Liedern, musikalische Begleitung, usw., und dass dies so viel Spannung verursacht, dass man es für besser hält, sich getrennt zu versammeln, wobei jede von den Versammlungen ihre eigenen "Färbung" festlegt, aber wobei man einander weiterhin gegenseitig zum Abendmahl empfängt. Man treibt auf Grund solcher Fragen keine Spaltung voran. Es ist natürlich biblischer, solche Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken, indem man zu einer einigen Gesinnung kommt und sich doch weiter an einem Ort versammelt. Aber wenn das durch "Schwachheit" nicht möglich ist, dann ist die hier vorgestellte "Lösung" die viel bessere Wahl gegenüber einer örtlichen Spaltung, die zu einer landes- oder weltweiten Trennung führen kann. Es wird dann zumindest der Tatsache Recht getan, dass wir als Kinder Gottes Gemeinschaft haben mit dem Vater und dem Sohn und dadurch miteinander, und dass diese Gemeinschaft auch erlebt werden soll, indem wir einander gegenseitig beim Abendmahl empfangen.

Veränderung 10. Einführen einer "Struktur"
In verschiedenen Versammlungen hat man in Bezug auf bestimmte Aktivitäten Regelungen getroffen, um die Aktivitäten besser ablaufen zu lassen. Man hat z. B. Arbeitsgruppen eingesetzt für: "Evangelisation"; "Geldmittel"; "Jugendarbeit", usw.. An sich kann man dabei nicht von Abweichungen sprechen, wenn man die Freiheit des Geistes, in den Zusammenkünften den zu gebrauchen, den er will, nur nicht antastet. Die Kennzeichen des Leibes (Praktizieren der Einheit; freie Wirkungen der Gaben; Festhalten am Haupt) und des Hauses (allgemeine Priesterschaft, Ausüben und Anerkennung von Zucht) müssen weiter angewendet werden.
Das will nicht sagen, dass man niemals die freie Wortbedienung durch einen [geplanten] Vortrag ersetzen darf. Das geschah früher auf jeden Fall ziemlich regelmäßig, aber es war doch als Ausnahme beabsichtigt. Auch kann sich Schwachheit in einer Versammlung zeigen, wobei man kurzfristig jemanden bittet, eine Predigt vorzubereiten.

Die große Frage in Fällen dieser Art ist immer wieder, durch welche Motive man sich leiten lässt. Geht man willentlich und bewusst gegen das Wort an, oder sind es örtliche Umstände, die den Grund dazu bieten, einmal vom normalen Modell abzuweichen?

Was bestimmte Versammlungen betrifft, gibt es wirklich Grund zur Besorgnis, ich brauche hier keine Namen zu nennen, aber lasst uns aufpassen, Situationen nicht zu "überziehen", Gerüchte zu verbreiten und fleischliche Überlegungen dazu zu dichten.

Persönliche Auffassung
Es kann nicht übersehen werden, dass verschiedene Lehrer in bestimmter Hinsicht ihre Meinung ziemlich drastisch verändert haben. Ich bin traurig darüber, aber lasst uns festhalten, dass in dieser Art von Dingen jeder Knecht seinem eigenen Herrn steht oder fällt. Etwas anderes ist es, dass man sehr wohl Kritik an bestimmten Auffassungen haben und diese auch äußern darf.

Schlussfolgerung: Ob man mit bestimmten Entwicklungen unglücklich ist oder nicht, bis jetzt bemerke ich keine Verschiebungen, die das Herz unseres Versammlungslebens antasten, und die der Grund für eine Trennung wären.